Nora oder Ein Puppenhaus

von Henrik Ibsen

Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel

120 Minuten keine Pause

»Von unten ist eine Tür zu hören, die laut ins Schloss fällt.« – So lautet die letzte Regieanweisung in Henrik Ibsens Stück. Nora ist gegangen. Der Ausgang der Geschichte um die Familie Helmer ist bekannt und gehört seit seiner skandalösen Uraufführung zum Theaterkanon.

Zu Beginn führt die Familie Helmer ein nach außen scheinbar glückliches Leben – große Wohnung, tolle Kinder und Rechtsanwalt Torvald Helmer wurde gerade erst zum Bankdirektor befördert. Doch hinter der Fassade verbirgt sich ein Geheimnis: Nora hatte in den ersten Ehejahren eine Unterschrift auf einem Schuldschein gefälscht, um ihrem finanziell angeschlagenen Mann unter die Arme zu greifen. Als dieser nach einigen Intrigen, in die auch der Gläubiger Nils Krogstad und Noras Jugendfreundin Kristine Linde verwickelt sind, von der Schuld erfährt, reagiert er mit wüsten Beschimpfungen und Vorwürfen. Und trotzdem besteht er darauf, die Fassade der Ehe und damit seinen Status aufrechtzuerhalten.

Nora dagegen kommt zu der Erkenntnis, dass sie für ihren Mann bloß dekoratives Beiwerk in seinem Lebensentwurf ist. In acht langen Ehejahren waren der Streit um den Schuldschein und seine Auswirkungen das erste Mal, dass sie sich über ernste Dinge ausgetauscht haben. Acht Jahre lang hat ihr Mann sie behandelt wie eine Puppe und mit ihr gespielt. In diesem Puppenheim kann Nora kein eigenständiger Mensch sein. Sie verlässt ihren Mann und ihre Kinder.

Ibsen schrieb das Stück im Jahr 1879 – also zu einer Zeit, in der eine solch selbstbestimmte Entscheidung einer Frau mit den bürgerlichen Konventionen und patriarchalen Machtstrukturen brach. Den Druck, Normen zu entsprechen und gleichzeitig ein individuell erfülltes Leben zu führen, kennen wir auch heute. Aber reagiert eine Gesellschaft knapp 150 Jahre später tatsächlich anders auf eine radikale Entscheidung, wie sie Nora trifft?

 

Charlotte Sprenger, 1990 in Hamburg geboren, blickt mehrere Generationen später auf den Theaterklassiker und zieht Parallelen zu heutigen Lebensrealitäten. Nach einem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität in Lüneburg war Charlotte Sprenger Regieassistentin am Schauspiel Köln, wo sie erste Regiearbeiten realisierte. Im Anschluss inszenierte sie als freie Regisseurin u. a. am Thalia Theater Hamburg, am Deutschen Theater Berlin, am Theater Basel und an den Münchner Kammerspielen. NORA ist ihre vierte Arbeit am Theater Bonn.

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