Fabian oder Der Gang vor die Hunde
von Erich Kästner
ca. 180 Minuten 1 Pause von ca. 20 Minuten nach 95 MinutenNachtclubs, Tanzlokale und Kneipen. Grelle Lichter, Kunstateliers und Bordelle. Das Berlin der ausgehenden Goldenen Zwanziger ist anrüchig, exzentrisch und erotisch – die traditionellen Geschlechterrollen werden aufgehoben. Aber neben Lebensgier, Rausch und Weltflucht ist es gleichzeitig geprägt von der Realität: Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und politische Radikalisierung. Die Schrecken des Ersten Weltkriegs sind gerade erst notdürftig verarbeitet, da muss man schon wieder um die Zukunft bangen.
Der promovierte Germanist Jakob Fabian verdingt sich tagsüber als Werbetexter für eine Zigarettenmarke und streift nachts durch das bunte Treiben der Großstadt. Auch er sucht nach Zerstreuung, Betäubung und Zuneigung. Als Moralist – wie er sich selbst bezeichnet – beobachtet er dabei sein Umfeld mit einer ironischen Distanz… und verharrt in seiner Melancholie. Nach einer Reihe von Schicksalsschlägen beginnt Fabians Beobachterposition aber zu bröckeln: Er verliert seine Anstellung. Und die Sehnsucht nach Liebe wird enttäuscht, als sich seine Freundin Cornelia Battenberg für ihre Karriere entscheidet. Sein Freund Labude nimmt sich das Leben, als er erfährt, dass seine Habilitationsschrift angeblich abgelehnt wurde. Fabian – am Boden liegend – gibt sich dennoch alle Mühe, seinen moralischen Werten treu zu bleiben, kann aber den eigenen Idealen nicht Stand halten.
Welchen Wert hat das Individuum in einem System, das vorrangig auf Verwertung ausgelegt ist? Wer vorwärtskommen will, muss sich prostituieren. Und immer damit rechnen, vom Gegenüber für eine bessere Partie abserviert zu werden. Erich Kästner musste seinen hellsichtigen Roman 1931 in einer zensierten Version veröffentlichen, die dennoch den Bücherverbrennungen der Nazis zum Opfer fiel – vor den Augen des entsetzten Autors. 2013 erschien die von Kästner intendierte Version, die eine noch explizitere Sprengkraft bietet.
Martin Laberenz war Regieassistent am Schauspielhaus Bochum und am Thalia Theater in Hamburg, wo er auch seine ersten eigenen Regiearbeiten realisierte. Nachdem er als Hausregisseur an der »Skala« des Centraltheaters Leipzig engagiert war, arbeitet er seit 2012 als freier Regisseur, u. a. am Wiener Burgtheater, Deutschen Theater Berlin, Theater Basel und am Düsseldorfer Schauspielhaus. FABIAN ist seine erste Arbeit am Theater Bonn.