216 Millionen [UA]
von Lothar Kittstein
Regie: Volker Lösch
Bühne: Valentin Baumeister | Kostüme: Teresa Grosser | Licht: Max Karbe | Dramaturgie: Jan Pfannenstiel
Die Uraufführung findet im Rahmen der Tage des Exils statt.
Vier ausgewanderte Menschen aus Afghanistan, dem Iran, Haiti und Guinea erzählen von Verfolgung und Gewalt, von Hitze, Stürmen und Überflutungen, aber auch von der Hoffnung auf ein besseres Leben und Zuversicht. Sie sind vier von weltweit 216 Millionen, die nach einer Prognose der Weltbank bis zum Jahr 2050 ihre Heimat allein wegen der Klimakatastrophe verlassen müssen.
Den ganz realen, persönlichen Geschichten gegenüber steht das verrückte Schauspiel einer der unzähligen Klimakonferenzen in Form einer aberwitzigen Satire. Der Leiter der COP ist ausgerechnet ein Ölmagnat namens Nat Coal. Er hat Politik und Wissenschaft, aber auch NGOs und die Kunst eingeladen: Die ranghohe EU-Politikerin Nicola beteuert die europäischen Ideale, wird jedoch von der Menschenrechtsanwältin Elena für ihre Scheinheiligkeit scharf angegriffen. Elenas Mann, der Wissenschaftler Paul, stellt eine bahnbrechende Erfindung vor, mit der die Temperatur der Erde geregelt werden könne. Vergeblich warnt ihn seine Schwester, die Aktistin Lisa, dass sein »Superscreen« zu einer Massenvernichtungswaffe verkommt. Fixiert auf ihre eigenen Sehnsüchte und Ängste bemerken die Konferenzteilnehmenden nicht, wie nah die Katastrophe schon ist. Als der Performance-Künstler Serge, den Nat engagiert hat, mit einer Kunst-Aktion interveniert, gerät alles aus den Fugen...
Für 216 MILLIONEN variiert und überspitzt der Autor Lothar Kittstein Motive aus Maxim Gorkis KINDER DER SONNE. Wohin führt die Borniertheit der Privilegierten im Angesicht der Klimakrise? Europa verkennt das Verursacherprinzip und schottet sich ab – mit immer höheren Mauern und Zäunen, mit Grenzkontrollen und Pushbacks auf dem Mittelmeer.
Niemand verlässt seine Heimat freiwillig, aber wenn es keine Aussicht auf Rückkehr gibt, ist das Exil die einzige Hoffnung.
Ein Ensemble aus Geflüchteten und Schauspielerinnen und Schauspielern konfrontiert politische Maßnahmen mit persönlichen Zeugnissen und fängt noch einmal ganz vorne an – bei der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verkündeten: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.«
Volker Lösch hat bisher über 100 Schauspiel- und Opern-Inszenierungen erarbeitet. Am Theater Bonn entstanden bisher u. a. die Arbeiten NATHAN, BONNOPOLY, FIDELIO und zuletzt RECHT AUF JUGEND. Mit seiner Dresdner Inszenierung DER TARTUFFE ODER KAPITAL UND IDEOLOGIE wurde er zum Berliner Theatertreffen 2022 eingeladen. In seinen Arbeiten bringt Lösch häufig Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher sozialer Gruppen mit professionellen Darstellerinnen und Darstellern zusammen. In den letzten Jahren intensivierte er die Arbeit mit Autorinnen und Autoren-Kollektiven. Mit Lothar Kittstein arbeitet er zum vierten Mal zusammen.
Besetzung
Miklós Horváth