Kohlhaas (can’t get no satisfaction)

eine Maßlosigkeit von Kleist, David & Ensemble

Regie: Rebekka David

Bühne: Robin Metzer | Kostüme: Florian Kiehl | Musik: Camill Jammal | Dramaturgie: Nadja Groß

Premiere 14.02.
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Ich halt’s nicht mehr aus. Wirklich, mir reicht’s, mir platzt gleich der Kragen. Mir steht’s bis hier. Wenn ich jetzt auf einen nichtswürdigen Dickwanst träfe, der nicht bei drei auf dem Baum ist, würde ich ihn in den Kot werfen und den Fuß auf sein kupfernes Antlitz setzen. Ich würde ihm so dermaßen die Fresse polieren, ihn zu Kleinholz drechseln, zu Mus stampfen, die Arme abreißen, damit Schlagzeug spielen und ihm dabei ordentlich die Flötentöne beibringen - wenn ich wöllte, könnte ich.... Aber das mache ich natürlich nicht. Mein Rechtsgefühl gleicht einer Goldwaage. Und auch wenn es mich in meinem Zeigefinger juckt, für die gebrechliche Einrichtung der Welt eine konkrete Person verantwortlich zu machen und mir durch physische Rache Genugtuung an ihr zu verschaffen, tue ich das natürlich nicht. Ich schätze die Errungenschaften der Zivilisation. Aber ich habe Unrecht erfahren und ich muss mich dazu verhalten. Also klebe ich mich auf die Straße. Nein, Spaß, ich unterschreibe einfach eine Petition. Nein, Spaß, ich stelle mich mit der Mistgabel an eine Fähre und schaue, ob sich der Politiker runter traut. Nein, Spaß, ich schreibe einen wütenden langen Text im Feuilleton. Nein, Spaß, ich werde Instagram-Aktivistin. Nein, Spaß, ich werfe Molotowcocktails und entführe den Arbeitgeberpräsidenten. Nein, Spaß, ich mache ein Theaterstück zum Thema und kann dann endlich wieder ruhig schlafen, denn ich habe mich ja öffentlich zum Unrecht verhalten. Oder nicht?

Der Pferdehändler Kohlhaas ist wütend. Ein dreister Junker profiliert sich durch erfundene Vorschriften, nimmt ihm zwei quietschfidele Rappen zum Pfand ab, richtet sie zugrunde und misshandelt seinen braven Knecht. Das kann er nicht auf sich sitzen lassen und begibt sich auf seinem Rachefeldzug in eine Gewaltspirale erschreckenden Ausmaßes.
Wo wäre der Punkt gewesen, sich zufrieden zu geben? Welche Form von Protest ist Zeichen einer lebendigen Demokratie und an welchem Punkt sind die Folgen des Protestes schlimmer, als das Unrecht, das sie zu bekämpfen suchen? Wieviele Unbeteiligte dürfen Schaden nehmen, was in Mitleidenschaft gezogen werden, um ein Zeichen zu setzen? Und wann dürfen wiederum die Kosten keine Rolle spielen, weil das unangefochtene Unrecht den Grundstein für Schlimmeres legt? Und wie verdammt nochmal sollen wir es finden, das richtige Maß? Das sind Fragen, die wir tagtäglich miteinander aushandeln.
Regisseurin und Autorin Rebekka David untersucht gemeinsam mit dem Ensemble, ob wir in einer fragmentierten Gesellschaft dazu noch fähig sind und wo zur Hölle sie sein könnte, die Normalmoral.

Rebekka David, geboren 1993 in Leipzig, studierte Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Ihre Arbeiten sind und waren u. a. am Staatstheater Hannover, Staatstheater Braunschweig, Volkstheater Rostock, Deutschen Theater Berlin, Schauspiel Dortmund, Theater Basel und dem Saarländischen Staatstheater zu sehen. Ihre Inszenierungen wurden zu mehreren Gastspielen und Festivals eingeladen, u. a. zum Körber Studio Junge Regie und zum Theatertreffen deutschsprachiger Schauspielstudierender. Außerdem produziert sie Hörspiele für den DLF und den SWR. 2022 erhält sie den Deutschen Hörspielpreis der ARD.

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