Zum Drama um den italienischen Herzog von Mantua und den Narren Rigoletto

»Ich bin ein Ungeheuer«

»La donna è mobile« – wer kennt nicht dieses Liedchen? Neben Verdis »Brindisi« und Wagners »Walkürenritt« ist dieses Lied (canzone) wahrscheinlich der berühmteste Schlager der gesamten Operngeschichte. Die Wenigsten denken aber beim Zuhören, dass dieses Lied in RIGOLETTO der Wüstling Herzog von Mantua singt, kurz bevor er eine weitere Frau mit Gewalt und falschen

Versprechungen seiner Macht unterwirft. Wieso darf dieser wahrlich abscheuliche (Anti)held so etwas Schönes (aber für die regulären Opernverhältnisse – Belangloses) singen und warum hat er die Liebe der edlen Gilda, der Tochter des Hofnarren Rigoletto, verdient? Genaueres dazu lesen Sie hier und erleben ab dem 15. Oktober auf der Bühne des Theater Bonn.

Probenfoto RIGOLETTO | © Hans Jörg Michel

Zur Handlung

Herzog von Mantua ist reich, gut vernetzt und kann sich alles leisten: gemeine Scherze, böse Taten, alle Frauen der Welt und vor allem einen eigenen Hofnarren Rigoletto, der, zumindest was die Wortwahl angeht, in seiner Gemeinheit mit seinem Herrn gut mithalten kann. Aus diesem Grund wird er neben dem Herzog zur Zielscheibe des Fluchs des Grafen Monterone, dessen Tochter der Herzog zum Beischlaf gezwungen hat. Während Rigoletto durch den Fluch sehr bedrückt ist, macht es dem Herzog nichts aus: Er begehrt eine junge Frau namens Gilda, die in einer abgelegenen Hütte lebt, weiß aber nicht, dass Gilda Rigolettos einzige Tochter ist. Er gibt sich als armer Student aus, um Gildas Liebe zu gewinnen, und sucht sie auf. Nach seiner leidenschaftlichen Liebeserklärung liegt sie ihm sofort zu Füßen. Höflinge entführen Gilda und bringen sie als Überraschungsgeschenk in den Palast, wo der Herzog seine Lust endlich ausleben kann. Daraufhin ersinnt Rigoletto einen Racheplan und gibt den Mord am Herzog einem Profi-Killer in Auftrag. Gilda erfährt von dem Plan und lässt sich vom Killer umbringen, um das Leben ihres Geliebten zu retten. Rigoletto bekommt den Sack mit des Herzogs Leiche und stellt fest, dass im Sack im Sterben seine eigene Tochter liegt. So kam der Fluch des Monterone in Erfüllung.

Die Entstehungsgeschichte

Als sich Giuseppe Verdi für Victor Hugos 1832 Drama LE ROI S‘AMUSE (Der König amüsiert sich) als potentiellen Opernstoff für das Teatro La Fenice entschieden hat, ahnte er nichts von den politischen Komplikationen, die diese Wahl mit sich ziehen wird. Das Drama handelt von der Beziehung zwischen dem französischen König Franz I. und seinem Hofnarren Triboulet im 16. Jahrhundert. In Frankreich galt Hugos Stück als »unmoralisch« (Stichwort: Königsmord) und wurde direkt nach der Uraufführung verboten, denn darin sah die Zensurbehörde eine Beleidigung des zurzeit herrschenden Königs Louis-Philippe. Verdi war seinerseits von den dramatischen Situationen in Hugos Stück fasziniert. Den Reiz eines wahren Opernstoffes sah er vor allem in dem Fluch, der Triboulet und den König traf, daher kam der Arbeitstitel der Oper »La Maledizione« (Der Fluch). Seinem Librettisten Francesco Maria Piave riet Verdi, sich streng an die französische Vorlage zu halten. Als das Libretto mit großer Verspätung (Verdi hatte nämlich zu dem Zeitpunkt viele Szenen schon komponiert) endlich bei der österreichischen Zensurbehörde landete (Venedig wurde 1849 von österreichischem Militär erobert), wurde es mit der gleichen Begründung als »unmoralisch« kategorisch abgelehnt. Um die Show zu retten, mussten Verdi und Piave den Entwurf stark überarbeiten: So wurde der französische König zum italienischen Herzog und der Fokus der ganzen Geschichte wurde auf den Narren gerückt.

Zur Regie

Jürgen R. Weber interessiert sich in seiner Inszenierung für den moralischen Zerfall des Herzogs von Mantua. Er nimmt für den Ausgangspunkt seiner Bühnenerzählung den Satz, den der Herzog in der Taverne im 3. Akt ausspricht, als er die Schwester seines Auftrag-Mörders verführt und sich somit unwissentlich das Leben rettet: »Sì… un mostro son … / Ja… ich bin ein Ungeheuer«. Man kennt die klassischen Opernkonventionen, laut welchen der Held und Liebhaber Tenor ist, der die emotionalsten und virtuosesten Arien singt und am Ende entweder heldenhaft stirbt und/oder tragisch seine Geliebte verliert, während der Bösewicht (unbedingt mit einer tieferen Stimme!) eine Strafe erleiden muss. In RIGOLETTO wird dieses Klischee auf den Kopf gestellt: Der Tenor ist nämlich der absolute Bösewicht, der sogar mit seinen ganzen Verbrechen ungestraft davonkommt. Seine Arien (die erste davon ist eine ballata und die dritte eine canzone – also Ballade und Lied, keine wirkliche Arie!) zeugen von keiner emotionalen Tiefe oder Charakterentwicklung. Der Herzog ist Sadist, Vergewaltiger und Selbstdarsteller, der ästhetisches Vergnügen empfindet, Menschen zu quälen und zu verunstalten. Verdi protestierte zu seiner Zeit, dass das berühmte »La donna è mobile« (»Das Herz der Frau ist trügerisch«) aus dem Kontext gerissen gesungen wird, weil sich so das Lied aus Herzogs Verurteilung in seine Verherrlichung verwandelt. Dass der Herzog im 2. Akt etwas wie eine echte Liebe Gilda gegenüber zeigt, ist auch der Zensurbehörde geschuldet, die es für unsittlich hielt, dass Gilda für den König einfach ein weiteres Abenteuer ist.

 

Zusammen mit dem Ausstatter Hank Irwin Kittel und der Videokünstlerin Gretchen fan Weber erzeugt der Regisseur die morbide Stimmung des Hofs von Mantua auf der Bühne und erzählt die Geschichte seines Hofnarren, der es wagt, sich dessen Macht zu widersetzen.