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Die Wand, die uns trennt

Über den Autor des Volksstücks »Glaube Liebe Hoffnung« – Ödön von Horváth

GLAUBE LIEBE HOFFNUNG © Matthias Jung

 

 

Wenige Dramatiker der Zwischenkriegszeit haben so nachdrücklich Wert darauf gelegt, ihre Wirklichkeit aus erster Hand zu beziehen, wie der Altösterreicher Ödön von Horváth, der trotz seines ungarischen Passes ein deutscher Dichter war. Manche Literaturgeschichten rechnen ihn der Neuen Sachlichkeit zu. Als er zu schreiben anfing, war der Expressionismus bereits im Absterben. Und später bezog er seinen Stil und seine Themen nicht aus der Literatur, sondern aus dem banalen Alltag. Einen ironisch-naiven Realisten könnte man Horváth nennen, der aufnahm und wiedergab, was sich um ihn abspielte; dass das Resultat oft Kunst war, lag am Filter seiner Persönlichkeit.

Die deutsche Situation, die er in seinem Werk festhielt, lässt sich mit zwei Wörtern umreißen: Inflation und Wirtschaftskrise. Als der Student Ödön von Horváth sich zum ersten Mal an ein Schauspiel wagte, schrieb man das Jahr 1923 und für eine Goldmark bekam man eine Billion Papiermark. Als man zum letzten Mal vor Hitlers Machtantritt in Deutschland ein Stück von Horváth aufführen durfte, im Jahr 1932, gab es dort mit über 5,5 Millionen Arbeitslosen einen Krisenrekord.

Wer wissen will, wie den Menschen jener Krisenjahre in Mitteleuropa zumute war, braucht nur bei Horváth nachzulesen.

GLAUBE LIEBE HOFFNUNG © Matthias Jung
GLAUBE LIEBE HOFFNUNG © Matthias Jung

Das Personal von Horváths Alltagsdramen besteht aus Alltagsmenschen, wie sie für eine Ära charakteristisch waren, in der es zuerst zu viel Geld und dann zu wenig Arbeit gab: kleine, oft gescheiterte Existenzen, Vertreter eines degradierten Mittelstandes, Kleinbürger und Proletarier, wie er einmal klarstellte. Das Thema der sozialen Gerechtigkeit beherrscht Horváths Schaffen vom ersten bis zum letzten Stück. Er erkannte, dass diese Gesellschaft aus einzelnen besteht, die einander im Stich lassen.

Vor allem sind es die Frauen, die in Horváths Stücken in ihren Hoffnungen enttäuscht werden, die Schutz suchen und ihn nicht finden, die sich verschwenden wollen und gedemütigt werden. Durch das ganze Werk dieses Dramatikers gehen Mädchen und Frauen, deren Lebensmut durch die »Brutalität der Wirklichkeit« (Horváth) und den Unverstand der Männer gebrochen wird. An ihnen vor allem demonstriert der Autor das Phänomen der Vereinsamung, ausgelöst durch den Egoismus, der seinerseits wiederum seine Wurzel in den wirtschaftlichen Verhältnissen hat. Die Menschen in diesen Stücken leben in Räumen, die aneinandergrenzen, aber keine Verbindungstüren haben. Ihr Gemeinsames ist die Wand, die sie trennt. Ein Phänomen, das die Zeiten überdauert.

Text von Nadja Groß

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