Theater im Theater - Oper in der Oper
DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN
Theatralisches Märchen und Opernparodie
König Treffs Sohn leidet an einer geheimnisvollen Hypochondrie, an der er sterben wird, sofern er nicht schnellstmöglich zum Lachen gebracht wird. Daraufhin beordert der König den besten Unterhalter, Truffaldino, der sich alle möglichen Witze und Tricks einfallen lässt, um dem Prinzen wieder Lebensgeist einzuhauchen – jedoch vergeblich! Währenddessen schließen die zwei Höflinge Leander und Clarisse, die es auf den Thron abgesehen haben, einen Pakt mit der bösen Zauberin Fata Morgana. Sie wollen dafür sorgen, dass der Erbprinz niemals geheilt wird. Doch ironischerweise löst ausgerechnet Fata Morganas Auftritt beim Prinzen einen Lachanfall aus, für den er später büßen muss.
Die Zauberin verflucht den Prinzen, und plötzlich entbrennt in ihm die Leidenschaft für drei Orangen. Zusammen mit Truffaldino zieht er in die Fremde, um die Orangen zu finden…
erster ausländischer Kompositionsauftrag eines amerikanischen Opernhauses
Mit DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN schreibt Sergej Prokofjew 1919 in Chicago seine erste abendfüllende Oper und ist darüber hinaus der erste ausländische Komponist, der einen Kompositionsauftrag eines amerikanischen Opernhauses erhält. Ein russischer Emigrant verfasst eine Oper auf Französisch auf der Grundlage eines traditionellen italienischen Stoffs für ein amerikanisches Opernpublikum – allein das macht die Entstehungsgeschichte der Oper unglaublich spannend.
Hinzu kommt die Handlung selbst, die nun aus zwei verschiedenen Volksmärchen besteht: Ein Märchen vom Prinzen, der nicht lachen kann, und ein Märchen von den drei Orangen (in der Folklore auch Zitronen, Pomeranzen, Granatäpfel – you name it!). Der Stoff wirkt auf den ersten Blick tatsächlich wie ein klassisches Märchen. Doch neben dieser Märchenebene gibt es in der Erzählung auch eine Metaebene, die für Prokofjew essentiell war – die der Parodie.
Prokofjew führt in das Stück mehrere Publikumsgruppen ein, die diverse Formen des Theaters verfechten. Immer wieder kommentieren sie den Verlauf der Geschichte und greifen im entscheidenden Moment sogar ins Geschehen ein.
Man trifft auf Gruppen mit Sehnsucht nach verschiedenen Opernklischees: die Lyriker wollen »die romantischen Gefühle« wie bei Tschaikowskij und Verdi sehen, die Tragiker – getreu dem Wagnerschen Musiktheater – »Trauer und Mord«, die Komiker »das gesunde frische Lachen« wie bei Rossini und Mozart, und die Hohlköpfe wollen »lachen und nicht denken«, wie leichtsinniges Operettenpublikum. Das erkennt man auch an zahlreichen musikalischen Anspielungen, die Prokofjew pointiert einsetzt.
ein theatralisches Feuerwerk an Effekten, Witzen und Slapstick
Der italienische Regisseur Leo Muscato fokussiert sich in seiner Inszenierung stark auf das Erbe der Commedia dell’arte und sorgt für ein theatralisches Feuerwerk an Effekten, Witzen, Slapstick-Momenten und unerwarteten Verwandlungen. Die Bühne von Andrea Belli stellt eine riesige Zauberpuppenkiste dar, die eine märchenhafte Welt heraufbeschwört, während die Kostüme von Margherita Baldoni sich auf die russische Geschichte beziehen und an die prachtvolle Ausstattung von Djagilews Ballets Russes erinnern.
Text von Polina Sandler