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»Du hast es gesehen. Du hast gesehen, wie es gekommen ist.«

Probenfoto FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE

Schauspieler Christian Czeremnych im Gespräch über seine Rollen in FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE und DER AUFHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI

Der Regisseur Martin Laberenz, zuvor bereits u. a. am Wiener Burgtheater, Deutschen Theater Berlin, Theater Basel und am Düsseldorfer Schauspielhaus tätig, inszeniert im Schauspielhaus Erich Kästners Roman FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE. Christian Czeremnych spielt die Rolle des Jakob Fabian: Promovierter Germanist, jetzt Werbetexter, der sich durch das Berlin der ausgehenden Goldenen Zwanziger schlägt und versucht, seine Moral gegenüber der Lebensgier, Massenarbeitslosigkeit und seinem persönlichen Schicksal zu verteidigen.

Wir haben bereits vor den Theaterferien mit den Proben zu FABIAN begonnen und befinden uns jetzt wieder mitten drin. Wie hat dich der Roman und deine Figur des Fabian über den Sommer beschäftigt?

Bei mir ist diese Ohnmacht vor den Verhältnissen hängen geblieben, aber auch der ganz scharfe, klare Blick darauf. Die Figur Irene Moll sagt im Roman zu Fabian: »Du hast Angst, das Glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen.“ Er ist jemand, der die Verhältnisse um sich herum – sowohl im Privaten als auch in der Gesellschaft – genau benennen, aber so wenig dagegen machen kann. Dieser Widerspruch macht mir Spaß, weil da eine tragische Vergeblichkeit drin steckt. Das Rad der Geschichte dreht sich ja weiter. Ist das dann eine Trotzreaktion? Warum kann er nicht Verantwortung zeigen? Warum kann er sich nicht einfach entscheiden?

Welche Konflikte aus dem Stoff erkennst du heute wieder?

Die Ohnmacht und das Distanzieren sind sehr heutig, insbesondere bei Themen wie der Klimakrise, Politikverdrossenheit und dem Erstarken von totalitären rechtsgerichteten Positionen. Ich hüte mich immer vor Vergleichen mit der Zeit der Weimarer Republik, weil es andere Voraussetzungen sind, aber diese Schnelllebigkeit, die es in der Zeit in Berlin gab, gibt es natürlich jetzt auch in veränderter Weise durch eine mediale Schnelligkeit.

Der Roman beschreibt eine Zeit, in der mit vielen Konventionen gebrochen wurde.
Was bedeutet das für die Figuren?

Im Roman liest man, was ich toll finde, sehr viele emanzipierte und wenig idealisierte Menschen. Das gilt für Fabian, aber auch für Cornelia, die Kulp, das Ehepaar Moll usw. Dazu ist Labude, Fabians bester Freund und Vertrauensperson, eine ganz elementare Figur. Beide sind Akademiker, hauen sich die Nächte um die Ohren und so entsteht eine Auseinandersetzung, außerhalb von der Bibliothek, die geprägt ist vom Unterwegssein, vom Rumspinnen – wie in einem Kneipenroman. Aber Fabian bleibt in dieser Welt immer in der Beobachterposition. Er hat alle Möglichkeiten, aber nimmt sie nicht wahr. Das macht ihn zu einer Besonderheit.

Was würdest du Fabian gerne mal offen ins Gesicht sagen?

Ich würde ihm sagen: »Du hast es gesehen. Du hast gesehen, wie es gekommen ist

Mit dem Regisseur von FABIAN, Martin Laberenz, hast du bereits am Schauspiel Stuttgart zusammen gearbeitet. Was zeichnet seine Arbeitsweise aus?

Man startet immer mit einer gemeinsamen inhaltlichen Auseinandersetzung über den Stoff, die offen ist für die Interessen, Sehnsüchte und Haltungen aller Beteiligten. Mit dieser gemeinsamen Fantasie wird auf der Bühne sehr frei und dem individuellen Spiel zugewandt geprobt. Man probiert viel aus, vieles wird auch wieder verworfen. Es geht immer darum, wie man das Thema einer Figur für die Bühne vergrößern und theatral zuspitzen kann, sodass man aus seiner gewohnten Spielweise herauskommt und als Schauspielerin und Schauspieler den Schmerzpunkt vergrößert.

Was sind die großen Unterschieden zwischen den Rollen ‚Fabian‘ und ‚Arturo Ui‘? Gibt es sogar Parallelen?

Ich glaube, Fabian wird auch nicht unanstrengend. (grinst) Bei Arturo Ui gibt es diese unbedingte und instinktive Gier und den Willen zur Macht. Bei Fabian gibt es auch eine Form der Getriebenheit, eine Rastlosigkeit – keine Bewegung zu einem klar definierten Ziel, sondern eher ein Kreisen oder Weglaufen vor etwas. Beide Figuren sind sehr stark in Bewegung, aber Ui hat einen viel klareren Kern und Fabian sucht seinen Kern die ganze Zeit. Er ist als Persönlichkeit sehr präsent, aber fragt sich trotzdem: Wo ist denn mein Ort?

 

Das Gespräch führte Jan Pfannenstiel

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